Eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr dazu äußern - aber ihr zwingt mich ja förmlich
Ich versuche allerdings wirklich sachlich und - soweit möglich - auch emotionslos an die Thematik heranzugehen.
Zum einen mal ganz allgemein - ich nehme seit 36 Jahren am Straßenverkehr teil und fahre beruflich wie privat auch sehr viel. Es gab in all den Jahren einen einzigen Vorfall (Bagatellunfall) bei dem mir eine Dashcam vielleicht geholfen hätte mein Recht besser durchzusetzen. Ich ziehe daraus mal mein persönliches Fazit, dass ich so was nicht brauche
Es ist ja nicht so, dass Unfälle ohne Video nicht aufgeklärt werden können, in den allermeisten Fällen gibt es genügend andere Beweise.
Was mich allgemein - nicht nur in dieser Diskussion hier - zunehmend irritiert (ja fast schon schockiert) ist, dass immer mehr Menschen ohne wirkliche Not bereit sind ihre Grundrechte eingeschränkt zu bekommen bzw. aufzugeben. In einigen Bereichen ist das sicher nicht vermeidbar und im Interesse aller Bürger, z.B. im Rahmen von Terrorbekämpfung. In anderen Bereichen nimmt man es hin weil man selber ja nicht betroffen ist bzw. sich nicht betroffen fühlt - z.B. Wegfall des Bankgeheimnisses wg. Schwarzgeld, Geldwäsche etc. Die Liste der weggefallenden Bürgerrechte der letzten 20 Jahre ließe sich noch abendfüllend fortführen.
Der Grundsatz sollte aber nach meinem festen Rechtsverständnis sein, dass Grundrechte nicht den Interessen Einzelner geopfert werden dürfen, es hat eine sehr strenge Abwägung stattzufinden ob es im Interesse aller Bürger ist oder nicht. Das sehe ich bei Dashcams definitiv nicht und bin daher auch für ein Verbot. Auch wenn viele damit tatsächlich nur ihre eigenen Interessen schützen wollen wird mir (und jedem anderen Bürger) die Kontrolle darüber genommen was mit den aufgenommenen Videos passiert. Ich kann es nicht verhindern wenn sie bei Youtube & Co. auftauchen und ich werde auch nicht darüber informiert, dass überhaupt Aufnahmen von mir gemacht wurden.
Wer jetzt sagt, "dass er ja nichts verbotenes mache" solle sich mal überlegen ob er es toll findet wenn alle Welt daran teilhaben kann wenn er sich z.B. beim einparken total dämlich anstellt oder an der roten Ampel in der Nase popelt (2 beliebige Beispiele der noch eher harmlosen Sorte
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). Fakt ist, dass heutzutage viele Menschen für ein paar "Likes" jegliche Hemmschwelle verlieren irgendwelche Videos ins Netz zu stellen - verhindern kann man das nicht und ahnden in aller Regel auch nicht.
Der Staat hat für die allgemeine Videoüberwachung nicht zufällig sehr strenge Regeln aufgestellt. In öffentlichen Bereichen in den gefilmt wird - seien es Bahnhöfe, Verkehrsmittel oder auch private Geschäfte - muss der Bürger vor dem betreten durch erkennbare Schilder darauf aufmerksam gemacht werden, dass er überwacht wird. Er hat somit die Möglichkeit diese Bereiche zu meiden - auch wenn das zugegebenermaßen gerade im ÖPNV natürlich eher unrealistisch ist.
Wenn nun Autofahrer - in aller Regel sogar heimlich (verdeckt) - Videoaufnahmen tätigen findet logischerweise keinerlei Information statt und ich habe somit auch nicht die Möglichkeit mich dem zu entziehen. Dies führt alle diesbezüglichen Gesetze ad absurdum.
Noch strenger sind die Anforderungen bei einer verdeckten Videobeobachtung, wie sie üblicherweise von staatlichen Behörden im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung durchgeführt wird. Nicht nur, dass eine solche von einem Staatsanwalt oder Richter angeordnet sein muss - es gelten auch strenge Richtlinien bei der Durchführung und Auswertung. Diese muss exakt protokolliert werden, die Aufnahmen müssen manipulationssicher, vollständig und vor allem auch neutral sein. Und selbst wenn sie zu keinem Ergebnis führen ist die betroffene Person später darüber zu informieren. Ich nenne mal ein einfaches Beispiel aus der Praxis:
Eine Person wird 24 Stunden lang per Video überwacht. In dieser Zeit macht er erkennbar 10 Minuten lang etwas verbotenes. Nun darf die Polizei nicht einfach nur diese 10 Minuten als Beweismittel sichern und den Rest ignorieren. Zumindest auf Anforderung müssen bei einer späteren Gerichtsverhandlung auch die übrigen 23 Stunden und 50 Minuten gezeigt werden können. Es dürfen bei staatlichen Ermittlungen nämlich nicht nur "die kriminaltechnischen Rosinen herausgepickt werden" sondern auch entlastendes Material muss dokumentiert werden. Diesen Anforderungen wird ein Hobby-Dashcam-Observant niemals gerecht werden können. Und warum sollte hier ein anderer Maßstab angelegt werden?
Aus genau diesem Grund sind die wenigen (meines Wissens in Deutschland bisher nur drei) Gerichtsurteile bei denen Dashcam-Material in Verkehrsverfahren zugelassen wurde mehr als bedenklich und es würde mich stark interessieren ob sie vor einer höheren Instanz Bestand haben bzw. gehabt hätten?
Ich möchte aber abschließend auch gerne noch die psychologische Komponente ins Spiel bringen (wenn schon, denn schon
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Die typische Situation mit dem übergroßen Drängler im Rückspiegel ist jedem bekannt und ich hasse diese Typen genau so wie jeder andere (und ich bin definitiv kein Schleicher). Aber - wie Andre es auch schon schreibt - gehen mir diese Typen inzwischen völlig am Ars... vorbei. Ich ziehe meinen Überholvorgang durch, schere rechts rüber und lasse sie passieren. Damit ist die Situation entschärft.
Mit einer Dashcam an Bord steigt aber der Wunsch "es diesem Typen mal zu zeigen" - schließlich habe ich ja viel Geld genau dafür ausgegeben. Anders als manch anderer unterstelle ich nicht, dass jeder Käufer eines solchen Gerätes ein verkappter Hilfssheriff oder Oberlehrer ist, die meisten wollen sicher nur ihre eigenen Interessen schützen. Aber es ist völlig menschlich in einer solchen Situation von einer Art Jagdfieber gepackt zu werden was eben dazu führt, ihn nicht einfach bei nächster Gelegenheit passieren zu lassen sondern die Szene noch ein wenig "auszukosten" - und damit die Situation eben nicht zu entschärfen. Wer jetzt behauptet, er sei frei davon soll mal ganz tief in sich gehen und dann überlegen ob er wirklich den ersten Stein wirft
Und zu glauben, der massenhafte Einsatz solcher Cams würde abschreckend wirken ist IMHO einfach nur naiv. Jeder weiß, dass schon länger Bahnhöfe mit Video überwacht werden und dennoch ereignen sich dort vor laufenden Kameras ständig schwere Straftaten bei denen nicht mal versucht wird sich unkenntlich zu machen.